Professor Dr. Rainer Leng im Interview zum reforMOOC und zur Reformation

Wir haben mit Professor Dr. Leng ein Interview über den Reformationstag und seinen reforMOOC geführt. In diesem Jahr jährt sich die Reformation zum 500. Mal. Martin Luther veröffentlichte am 31.10.1517 seine 95 Thesen. Ende April 2017 startete der reforMOOC auf oncampus. In dem 12-wöchigen Online-Kurs lernst du alles, was du zur Reformation wissen musst.

Interview mit Professor Rainer Leng zum MOOC „Die Reformation“

Herr Professor Dr. Leng, mit dem MOOC über Karl den Großen haben Sie das erste Mal einen offenen Online-Kurs veröffentlicht. Welche Erfahrungen haben Sie dort sammeln können?

Erstens: MOOCs können einen wichtigen Beitrag zu Öffnung akademischer Bildung leisten. Zweitens: Vorbereitung und Produktion sind sehr aufwendig. Drittens: Hinstellen und Loserzählen funktioniert nicht. Einführungsfilme und Kursmaterial brauchen sehr viel an mediendidaktischer Vorbereitung und medientechnischer Umsetzung. In allen diesen Bereichen habe ich sehr viel dazugelernt.

Mit einigen Tausend Teilnehmern war „Karl der Große“ sehr erfolgreich. Hatten Sie damit gerechnet und wie haben Sie die große Teilnehmer-Zahl wahrgenommen?

Zunächst habe ich mich natürlich über das große Interesse gefreut. Das beweist, dass viele Menschen ein mehr als oberflächliches Interesse an Geschichte haben. Sie sind bereit, sich auf Geschichte als Wissenschaft einzulassen, obwohl das manchmal auch richtig anstrengend sein kann. Spannend waren vor allem die Beiträge im Forum. In einem Seminar an der Uni laufen Diskussionen recht vorhersehbar ab. Aber in einem MOOC bringen sich TeilnehmerInnen mit vielfältigen Hintergründen ein, mit ganz verschiedenen Lebens- und Lektüreerfahrungen. Das macht die Auseinandersetzung mit dem Thema viel facettenreicher.

Wie sind Sie denn überhaupt auf die Idee gekommen, einen MOOC zu entwickeln?

2013 kam die MOOC-Welle auch in Deutschland an. Der Stifterverband hatte Stipendien für MOOC-Produktionen ausgeschrieben. Ich habe mich beworben, weil das anstehende Karlsjubiläum viel Aufmerksamkeit versprach. Am Ende gingen die Stipendien zwar nur an die MINT-Fächer. Aber ich hatte Blut geleckt und wollte der erste in meinem Fach sein, der das ausprobiert.

Mittelalterliche Geschichte gilt ja häufig als etwas angestaubtes Thema. Warum übt dieses Thema auf Sie so eine solche Faszination aus?

Nicht nur auf mich. Gerade das Mittelalter kann sich über mangelndes öffentliches Interesse nicht beklagen. Denken Sie nur an die vielen Dokus und Filme, die Mittelaltermärkte und Feste. Das Mittelalter umfasst nun einmal 1000 Jahre unseres historischen Erbes. Es ist attraktiv, weil vieles so anders, so fremdartig war, und doch unsere Gegenwart mitgeprägt hat.

Ein Medium wie ein videolastiger Online-Kurs macht mittelalterliche Geschichte doch etwas lebendiger und greifbarer, was wir mit unserem Hanse-MOOC auch festgestellt haben. Worauf muss man bei der Erstellung eines solchen MOOCs achten, damit die Teilnehmer über die gesamte Laufzeit am Ball bleiben?

Man muss die Balance halten zwischen der Reduktion des Themas auf einfache Leitlinien und der tatsächlichen Komplexität historischer Prozesse. Die TeilnehmerInnen kommen ja mit einem völlig heterogenen Vorwissen. Also muss es Angebote für alle geben. In den Filmen gibt es medial begleitete Überblicke mit einigen Denkanstößen. In den Kursmaterialien und den Aufgaben kann man, wenn man möchte, wissenschaftliches Arbeiten nachvollziehen und zu selbständig erarbeiteten Ergebnissen kommen.

Rainer Leng: MOOC Die Reformation
Rainer Leng: MOOC Die Reformation

In diesem Jahr feiern die 95 Thesen von Martin Luther das 500-jährige Bestehen. Wann und warum haben Sie dieses Thema für Ihren neuen MOOC aufgegriffen?

Nach ‚Karl dem Großen‘ und einem MOOC ‚Orientierung Geschichte‘ bot sich das Thema von selbst an. Das ‚M‘ in MOOC steht ja für Massive. Kurse mit großen Teilnehmerzahlen stehen in der Geschichte immer im Zusammenhang mit der Gedenkjahreskonjunktur. Somit war klar, dass 2017 ein MOOC über die Reformation kommen muss. Die Vorbereitungen dafür liefen schon seit 2015.

Warum hat das Thema Reformation auch nach 500 Jahren noch eine so große Bedeutung, dass es mit dem 31.10. sogar einen zusätzlichen Feiertag in Deutschland gibt?

Die Reformation war ein tiefgreifender Prozess. Sie veränderte die Kirche, den Staat, die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Individuen. Und anders als bei vielen anderen historischen Ereignissen sind die Nachwirkungen offenkundig. Kirchen sind katholisch oder evangelisch. Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen, Religionsunterricht: konfessionelle Unterschiede beeinflussen uns bis in den Alltag hinein.

Was lernen die Teilnehmer im MOOC „Die Reformation“ konkret und wie viel Zeit benötigen sie, um den Kurs zu absolvieren?

Die TeilnehmerInnen erarbeiten sich fundiertes Wissen über Voraussetzungen, Verlauf und Folgen der Reformation. Je nachdem wie aktiv die Teilnahme ist und wie intensiv die Arbeitsangebote wahrgenommen werden, sollten ein bis zwei Stunden pro Woche eingeplant werden. Und wie ein Seminar an der Uni geht der Kurs über 12 Wochen.

Wie sehen und unterstützen Regierung/Ministerien, Medien, Stiftungen oder anderen Universitäten Ihr Engagement und helfen Sie Ihnen dabei, den MOOC bekannter zu machen?

Die Unterstützung war groß. Die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, die Evangelische Landeskirche Bayern und das Evangelisch-lutherische Dekanat Würzburg stellten die erforderlichen Mittel zur Verfügung. Die Projektträgerschaft übernahmen in schönster ökumenischer Eintracht die katholische Akademie Domschule Würzburg und das Dekanat. Ich finde es ohnehin bemerkenswert, dass in Kultur und Medien das Interesse an der Reformation auf katholischer Seite mindestens ebenso groß ist wie auf evangelischer. Nur auf universitärer Seite ist das Interesse nicht so groß. Da gibt es wohl noch ziemlich große Berührungsängste mit den neuen Medien.

Haben Sie denn schon ein weiteres Thema im Auge für Ihren vierten MOOC?

Wünschen würde ich mir einen MittelalterMOOC über die Ottonen. Aber MOOCs sind aufwändig und teuer. Das funktioniert nur mit öffentlicher Förderung. Mittel für MOOCs sind sowieso nur ganz schwer und auch meist nur in im Vorfeld der großen historischen Jubiläen zu bekommen. Ich hoffe aber, dass es auch vor den nächsten großen Gedenkjahr 2025 zu ‚500 Jahre Bauernkrieg‘ mit einem weiteren historischen MOOC klappt.

Vielen Dank für das Interview.

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Über Professor Dr. Rainer Leng

Rainer Leng: MOOC Die Reformation
Rainer Leng: MOOC Die Reformation

Prof. Dr. Rainer Leng studierte Geschichte, Germanistik, klassische Philologie, Politikwissenschaft und Soziologie an den Universitäten Würzburg und Heidelberg.

Leng war 1994-2000 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der DFG Forschergruppe „Das Bild des Krieges im Wandel vom Mittelalter zur Neuzeit“, 2003-2007 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Bayerischen Akademie der Wissenschaft in München sowie am Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen. 2000-2002, 2007-2009 und 2011/12-2014 vertrat er Lehrstühle für Mittelalterliche Geschichte, Landesgeschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte und Historische Hilfswissenschaften in Würzburg und Stuttgart. Seit 2008 ist Leng außerplanmäßiger Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Würzburg.

Besondere Interessen gelten den Wissenskulturen des Mittelalters, darunter den Technik- und Ingenieurshandschriften im 15. und 16. Jahrhundert. In der Wissenschaftsvermittlung beschreitet er seit einigen Jahren neue Wege in MOOCs und anderen Formen digitaler Lehre.

Mehr zu Vita und Veröffentlichungen auf der Homepage an der Julius-Maximilians-Universität.

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Titelbild: “Martin Luther” by ff137 is licensed under CC BY 2.0

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