Recruiting-Prozesse der Zukunft: Robo Recruiting

Recruiting Prozesse der Zukunft

Ein Vorstellungsgespräch mit einem Roboter? Was eher nach Science Fiction und Zukunftsmusik klingt, ist in einigen Unternehmen bereits Realität. Mit der voranschreitenden Digitalisierung ändert sich auch die Art und Weise, wie Personalabteilungen geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden. Wo früher noch Menschen die Auswahl übernahmen, spielt nun künstliche Intelligenz eine zunehmend größere Rolle. Zu den Recruiting Prozessen der Zukunft zählt auch das sogenannte Robo Recruiting. Was das ist, wie es bereits genutzt wird und welche Vor- und Nachteile es mit sich bringt, erfährst du in diesem Blogartikel.

Recruiting-Prozesse im Wandel

Es ist noch gar nicht so lange her, da entdeckte man Stellenanzeigen in der aktuellen Tageszeitung und schickte dann eine klassische Bewerbungsmappe per Post an das Unternehmen der Wahl. Heute laufen Bewerbungsprozesse zum größten Teil digital ab. Stellenanzeigen findet man bei den großen Jobbörsen wie Monster und Stepstone und hat man etwas passendes gefunden, wird die Bewerbung ganz einfach per E-Mail gesendet oder in einem Online-Portal hochgeladen. Und das entlastet nicht nur Bewerberinnen und Bewerber, sondern auch die Personalabteilungen und sorgt dafür, dass der Recruiting-Prozess schneller vonstatten geht.

Sogar Vorstellungsgespräche für Jobs werden immer häufiger per Videokonferenz durchgeführt, um zunächst einen ersten Eindruck von der Bewerberin oder dem Bewerber zu bekommen. Noch einen Schritt weiter gehen Unternehmen wie der Versicherungskonzern Talanx. Dort finden Bewerbungsgespräche nämlich mit einem Roboter statt. Ja, du hast richtig gelesen. Auf Grundlage der vorliegenden Sprachaufnahmen kann dieser dann ein umfangreiches Persönlichkeitsprofil erstellen und entscheiden, ob du in das Unternehmen und zur ausgeschriebenen Stelle passt. Was klingt wie aus einem Science-Fiction-Film der Zukunft, ist längst Realität.

Was ist Robo Recruiting?

Robo Recruiting heißt diese neue Form der Personalsuche, die in immer mehr Personalabteilungen Einzug hält und auf die Bewerberinnen und Bewerber zukünftig immer häufiger treffen werden, wenn sie die nächsten Schritte in ihrer Karriere planen. Was erst einmal spacig klingt, ist bei genauerer Betrachtung erst einmal nur eine teilweise Automatisierung des Recruitingprozesses. Personalerinnen und Personaler sollen von Computern effizient unterstützt und so der gesamte Prozess beschleunigt werden. Möglich ist das durch Algorithmen, mit deren Hilfe die vorhandenen Daten von Bewerberinnen und Bewerbern analysiert werden und auf Grundlage der Ergebnisse die passenden Kandidatinnen und Kandidaten herausgefiltert werden.

Robo Recruiting kann dabei in Unternehmen in den verschiedensten Varianten genutzt werden. Einige davon gehören längst zum Alltag in den Personalabteilungen größerer Unternehmen.

Karrierenetzwerke durchforsten

Während früher noch Personalsachbearbeiterinnen und -bearbeiter Karrierenetzwerke wie Xing oder LinkedIn in mühevoller Kleinarbeit nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten durchforsteten, so übernehmen das in vielen Unternehmen mittlerweile Maschinen. Nach bestimmten Kriterien „durchleuchten“ diese Talent Recommender die Portale und spielen der Personalabteilung dann eine Liste mit potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten aus, die diese dann kontaktieren können. Der Computer kann dann sogar berechnen, wie wahrscheinlich es ist, dass jemand seine bisherige Position wechselt.

Laut der Studie Monster Recruiting Trends nutzten im Jahr 2017 knapp 10 Prozent der Top 1.000 Unternehmen in Deutschland solche sogenannten Talent Recommender. Weitere 11 Prozent planen die Nutzung eines solchen Systems in der Zukunft. Auch zwei Drittel der Kandidatinnen und Kandidaten würden es befürworten, wenn solche Systeme zukünftig häufiger zum Einsatz kämen. Die Karrierenetzwerke sehen 45,6 Prozent der potenziellen Bewerberinnen und Bewerber als effektivsten Kanal, um einem Unternehmen automatisiert für offene Positionen empfohlen zu werden.

Chatbots

Auch Chatbots in den verschiedensten Varianten setzen sich immer mehr im Recruitingprozess durch. So gibt es bereits auf vielen Karriereseiten Chatbots, die die wichtigsten Fragen rund um die Bewerbung oder zur offenen Stelle klären. Interessierte finden so schneller ihre gesuchten Infos, als wenn sie sich beispielsweise durch ellenlange FAQ-Listen klicken müssten. Auch Personalabteilungen werden so entlastet, da durch einen guten Chatbot viele Nachfragen per Telefon oder E-Mail wegfallen. Chatbots können auch dazu genutzt werden, Termine für Vorstellungsgespräche zu vereinbaren oder Stellenvorschläge anhand einer ersten Abfrage heraussuchen.

Digitale Karriereberater in Form von Chatbots wurden laut der Studie Monster Recruiting Trends im Jahr 2017 von 2,8 Prozent der Top 1.000 Unternehmen in Deutschland genutzt. IT-Unternehmen sind da schon etwas weiter: 2017 setzten schon knapp 10 Prozent digitale Karriereberater ein. Die Studie ergab außerdem, dass auch Bewerberinnen und Bewerber bei der Stellensuche ein solches Angebot gerne nutzen würden – je jünger, desto affiner sind die Menschen für Chatbots.

Digitale Auswahlsysteme

Sind die Bewerbungen erst einmal eingegangen, kann Robo Recruiting im nächsten Schritt auch bei der Personalauswahl unterstützen. So können digitale Auswahlsysteme die eingegangenen Bewerbungen (teil)automatisiert analysieren. Sie schauen, ob die Kandidatinnen und Kandidaten die Stellenanforderungen erfüllen und können so geeignete Bewerbungen herausfiltern.

Einen Schritt weiter gehen die bereits eingangs erwähnten Vorstellungsgespräche mit Robotern, die in einigen fortschrittlichen Unternehmen bereits durchgeführt werden. Der Roboter stellt der Bewerberin oder dem Bewerber Fragen wie beispielsweise „Wie sieht ein typischer Sonntag bei Ihnen aus?“ und man spricht dann einfach ins Blaue hinein. Die gewonnenen Sprachaufnahmen werden im Anschluss an das Gespräch von der Software analysiert – es reichen gerade einmal 15 Minuten Sprachaufnahmen dafür zu entscheiden, ob eine Kandidatin oder ein Kandidat für die Stelle geeignet ist. Der Roboter zieht seine Schlüsse nicht nur aus der Stimme und Intonation, sondern auch aus den verwendeten Wörtern.

Ein amerikanisches Unternehmen bietet sogar mittlerweile ein Vorstellungsgespräch mit Videofunktion an. So können auch kleinste Variationen in Mimik und Gestik ausgewertet werden, die einem Menschen normalerweise nicht einmal auffallen, und die Bewertung noch weiter verfeinert werden.

Noch sind Unternehmen in diesem Punkt etwas skeptisch: Laut der Monster Recruiting Trends Studie finden nur vier von zehn der Top-1.000-Unternehmen Deutschlands ein solches digitales Auswahlsystem gut. Die Mehrheit der Befragten geht trotzdem davon aus, dass diese Systeme zukünftig häufiger bei der Personalauswahl eingesetzt werden. Kandidatinnen und Kandidaten erhoffen sich durch die automatisierte Auswahl ein schnelleres Feedback und glauben, dass der Auswahlprozess dadurch objektiver und diskriminierungsfrei gestaltet wird.

Vor- und Nachteile von Robo Recruiting

Wie jede neue Technologie bringt das Robo Recuriting sowohl für Unternehmen als auch für Bewerberinnen und Bewerber verschiedene Vor- und Nachteile mit sich.

Vorteile von Robo Recruiting

Wie wir ja wissen: Zeit ist Geld. Und hier liegt auch der größte Vorteil von Robo Recruiting für Unternehmen: Durch die zunehmende Automatisierung laufen die Prozesse wesentlich schneller ab als noch vor wenigen Jahren. Anstatt wie früher aufwändig jede einzelne Bewerbung in die Hand zu nehmen oder teils tagelange Assessment Center durchzuführen, lässt sich der Bewerbungsprozess dank der modernen Technologien deutlich abkürzen. Das ist auch sehr hilfreich in Anbetracht der Tatsache, dass Unternehmen heutzutage in der Regel viel mehr Bewerbungen erhalten, als das noch vor ein paar Jahren der Fall war. Doch auch Bewerberinnen und Bewerber bekommen so viel früher ein Feedback auf ihre eingereichten Unterlagen.

Ein weiterer Vorteil, der im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz im Bewerbungsprozess immer wieder genannt wird: Ein Algorithmus diskriminiert nicht, weil er objektiv ist. Während sich Personalerinnen und Personaler, häufig auch unbewusst, durch Aussehen, Geschlecht, Dialekt etc. beeinflussen lassen, lässt der Roboter diese Faktoren außen vor. So wird dank Robo Recruiting auch Menschen eine Chance gegeben, die auf dem herkömmlichen Wege nicht in die engere Auswahl gekommen wären.

Allerdings sind hier Expertinnen und Experten teilweise skeptisch, denn es kommt hier darauf an, was den virtuellen Recruitern beigebracht wird. Unternehmen wie beispielsweise Unilever geben allerdings an, seit Einsatz des Robo Recruitings eine größere kulturelle Vielfalt der Mitarbeitenden erreicht zu haben.

Nachteile von Robo Recruiting

Doch auch Algorithmen sind nicht perfekt. So besteht zum Beispiel die Gefahr, dass geeignete Kandidatinnen und Kandidaten durch das Raster fallen, weil sie beispielsweise bestimmte Wörter nicht nutzen und gleichzeitig andere bevorzugt werden, die sich darauf verstehen, ihre Bewerbungen für die Maschinen entsprechend zu optimieren. Während Bewerberinnen und Bewerber mit kreativen Layouts und individuellen Bewerbungsunterlagen früher noch Aufmerksamkeit auf sich ziehen und ihre Kreativität unter Beweis stellen konnten, blendet ein Algorithmus solche Dinge aus und stützt sich nur auf die „harten Fakten“.

Ein weiterer Punkt, den viele Expertinnen und Experten skeptisch sehen: Die Auswahl beim Robo Recruiting erfolgt häufig auf Grundlage der Daten des bereits bestehenden Teams. Und das kann gleich zwei Probleme mit sich bringen. Zum einen kann es dadurch passieren, dass so immer ähnliche Charaktere eingestellt werden. So könnten beispielsweise Mitarbeitende bevorzugt werden, die ein sehr dominantes Verhalten an den Tag legen. Das ist jedoch nicht nur nicht förderlich für die Diversität des Teams, sondern kann auch schneller zu Konflikten führen. Doch auch datenschutzrechtliche Bedenken sind nicht von der Hand zu weisen. Eine sichere Datenschutzregelung ist hier das A und O, um sowohl die Daten des bestehenden Teams als auch die der Bewerberinnen und Bewerber ausreichend zu schützen.

Umfragen haben außerdem gezeigt, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Bewerbungsprozess von den Kandidatinnen und Kandidaten eher negativ gesehen wird. Denn eine Auswahl durch einen Roboter wird als wenig wertschätzend wahrgenommen, als wenn sich jemand persönlich aus dem Unternehmen Zeit nimmt. Schließlich hat man in der Regel einiges an Mühe in die Bewerbung gesteckt und möchte dementsprechend wertgeschätzt werden. Generell gilt die Meinung, dass menschlicher Kontakt durch nichts zu ersetzen ist.

Auch ein Blick auf die finanzielle Seite sollte geworfen werden. So lohnen sich der teure Anschaffungs- und Einführungsprozess von Robo Recruiting Software in der Regel nur für große Unternehmen mit einem sehr großen Bewerbungsaufkommen. Denn die neue Technologie ist teuer und auch mit hohen laufenden Kosten verbunden. Kosten und Nutzen gilt es also sorgfältig abzuwägen.

Fazit Robo Recruiting

Noch hat sich Robo Recruiting nicht flächendeckend durchgesetzt. Eine Studie des IFO-Instituts unter Personalverantwortlichen hat ergeben, dass gerade einmal 3,9 Prozent der Unternehmen die modernen Technologien nutzen, um neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Und das obwohl knapp die Hälfte aller Befragten der Meinung ist, dass Robo Recruiting bestehende Verfahren sinnvoll ergänzen könnte. Wie so oft ist es das mangelnde Wissen über die zugrundeliegende Technik, das Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber davon abhält, sich näher mit dem Thema auseinander zu setzen.

Doch selbst für die fortschrittlicheren Unternehmen in Sachen Robo Recruiting gilt: Derzeit kann künstliche Intelligenz die Personalabteilungen aber noch nicht komplett ersetzen. Kaum ein Unternehmen verlässt sich zu 100 Prozent auf die Auswahl der Algorithmen. Vielmehr wird Robo Recruiting meist nur in einem Teilprozess eingesetzt oder die Vorauswahl dann später durch ein persönliches Vorstellungsgespräch noch einmal geprüft.

Es bleibt spannend zu sehen, wohin sich der Trend beim Robo Recruiting zukünftig entwickelt. Es ist jedoch zu erwarten, dass sich auch im Bereich der Human Resources der Einsatz künstlicher Intelligenz immer weiter verbreiten wird. Personalabteilungen werden dadurch in Zukunft jedoch nicht überflüssig werden. Vielmehr können sie die so eingesparte Arbeit und Zeit anderweitig nutzen und sich verstärkt wichtigen Themen wie Personalentwicklung widmen, um Mitarbeitende auch langfristig ans Unternehmen zu binden. Denn wie eine Studie aus dem Jahr 2018 in Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigt, ist das Binden von Mitarbeitenden für 43 Prozent der Befragten derzeit das wichtigste HR-Thema.

Wie stehst du dazu? Ist Robo Recruiting ein Fluch oder ein Segen? Kannst du dir vorstellen, von einem Roboter interviewt zu werden oder bevorzugst du doch lieber das klassische Vorstellungsgespräch? Schreibe deine Antwort gerne in die Kommentare!

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